Die während des Schweißens auftretenden Temperaturzyklen (Temperatur-Zeit-Verlauf) haben maßgebenden Einfluß auf die mechanischen Eigenschaften im Schweißgut und in der Wärmeeinflußzone. Die Temperaturzyklen ihrerseits sind von den Schweißbedingungen abhängig. Unter Schweißbedingungen versteht man dabei eine Vielzahl von Einflußgrößen wie z.B. Lichtbogenspannung, Schweißstrom, Schweißgeschwindigkeit, Arbeitstemperatur, Blechdicke, Schweißverfahren und Nahtform[1]. Die Schweißparameter Lichtbogenspannung, Schweißstrom und Schweißgeschwindigkeit können dabei als Streckenenergie zusammengefaßt werden. 

Gemäß [2] berechnet sich die Streckenenergie als: Formel:

E  =  (U * I) / v  
mit      

  • U: Lichtbogenspannung 
  • I: Schweißstrom 
  • v: Schweißgeschwindigkeit 

Die Streckenenergie stellt somit ein Maß für die Energie dar, die dem Schweißprozeß zugeführt wird. 

Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß nicht die gesamte der Stromquelle entnommene elektrische Energie dem Schweißbad zugeführt werden kann, sondern je nach Schweißverfahren und Schweißbedingungen lediglich ein bestimmter Teil. Einfluß auf den Erstarrungsverlauf im Schweißgut und die thermisch bedingten Gefügeänderungen in der Wärmeeinflußzone hat jedoch nur diese wirklich in den Schweißnahtbereich eingebrachte Energie. Daher ist es bei differenzierter Betrachtung erforderlich, die Energieverluste zu berücksichtigen [3].   

Das kann dadurch geschehen, daß man die Streckenenergie E um einen Faktor eta erweitert, der sich aus dem Verhältnis der in den Nahtbereich eingebrachten zu der dem Schweißprozeß zugeführten Energie ergibt. Das so definierte Wärmeeinbringen Q berechnet sich demnach als [2]: 

Q = eta * E = eta * (U * I) / v 

mit 

  • Q: Wärmeeinbringen 
  • E: Streckenenergie 
  • eta: thermischer Wirkungsgrad 
  • U: Lichtbogenspannung 
  • I: Schweißstrom 
  • v: Schweißgeschwindigkeit 

Für den thermischen Wirkungsgrad von Schweißprozessen (eta) gelten soweit nicht anders vorgegeben Werte entsprechend nachstehender Tabelle[5]. 

Thermischer Wirkungsgrad von Schweißprozessen
Prozeß Faktor eta
Unterpulverschweißen 1,0
Lichtbogenhandschweißen mit Stabelektrode 0,8
Metall-Aktivgasschweißen (MAG) 0,8
Metall-Inertgasschweißen (MIG) 0,8
Wolfram-Inertgasschweißen (WIG) 0,6

Für den thermischen Wirkungsgrad von Schweißprozessen (eta) gelten soweit nicht anders vorgegeben Werte entsprechend obenstehender Tabelle[2]. 

Oft ist es bei einer geplanten Schweißaufgabe, die durch Schweißverfahren, Blechdicke und Nahtform vorgegeben ist, jedoch erforderlich, ein ganz bestimmtes Gefüge in der Wärmeeinflußzone zu erhalten, welches durch eine vorgegebene Abkühlzeit t8/5 bestimmt wird. Durch Umformen der allgemeinen Formeln zur Berechnung der Abkühlzeit t8/5 läßt sich so das maximal zulässige Wärmeeinbringen und daraus auch die maximale Streckenenergie berechnen [2]. So ist es möglich, geeignete Schweißparameterkombinationen (Lichtbogenspannung, Schweißstrom, Schweißgeschwindigkeit) für die geplante Schweißaufgabe zu ermitteln. 

Bei der Berechnung der Streckenenergie bei vorgegebener Schweißaufgabe ist jedoch zwischen drei- und zweidimensionaler Wärmeableitung zu unterscheiden. Beim Schweißen verhältnismäßig dicker Werkstücke erfolgt die Wärmeableitung dreidimensional. Die über den Lichtbogen eingebrachte Wärme kann in der Werkstückebene und zusätzlich in Richtung der Werkstückdicke abfließen. Diese wirkt sich daher nicht auf die Abkühlzeit aus. Bei zweidimensionaler Wärmeableitung erfolgt der Wärmefluß dagegen ausschließlich in der Werkstückebene. Die Werkstückdicke ist in diesem Fall maßgebend für die zur Wärmeableitung zur Verfügung stehende Querschnittsfläche und hat damit einen ausgeprägten Einfluß auf die maximal zulässige Streckenenergie[4]. 

Beim Schweißen verhältnismäßig dicker Bleche (dreidimensionale Wärmeableitung) berechnet sich die Streckenenergie nach folgender Gleichung:

Formel (dreidimensionale Wärmeableitung):

E  =  t8/5 / [(6700 - 5 * T0) * eta * ((1 / (500 - T0)) - (1 / (800 - T0))) * F3]  

mit 

  • t8/5: Abkühlzeit t8/5 
  • T0: Vorwärmtemperatur 
  • eta: Thermischer Wirkungsgrad 
  • F3: Nahtfaktor bei dreidimensionaler Wärmeableitung 

Beim Schweißen von Erzeugnissen mit verhältnismäßig geringer Dicke liegt zweidimensionale Wärmeableitung vor. Die Streckenenergie berechnet sich nach folgender Gleichung:

Formel (zweidimensionale Wärmeableitung):

E  =  (t8/5 * d2 / [(4300 - 4.3 * T0) * 105 * eta2 * ((1 / (500 - T0))2 - (1 / (800 - T0))2) * F2])0,5 

mit

  • t8/5: Abkühlzeit t8/5 
  • d: Blechdicke 
  • T0: Vorwärmtemperatur 
  • eta: Thermischer Wirkungsgrad 
  • F2: Nahtfaktor bei zweidimensionaler Wärmeableitung 

Die Zahl der denkbaren Nahtarten ist dabei so groß, daß eine quantitative Klärung des Einflusses aller auf die maximale Streckenenergie mit extrem hohem Aufwand verbunden wäre. Deshalb sind in untenstehender Tabelle nur die Nahtfaktoren für die gebräuchlichsten Nahtarten bei dreidimensionaler Wärmeableitung (F3) und zweidimensionaler Wärmeableitung (F2) zusammengefaßt[5]. 

Nahtfaktoren
Nahtart F3 F2
Auftragraupe 1,0 1,0
1. und 2. Kehlnaht am T- oder Kreuzstoß 0,67 0,45 bis 0,67
3. und 4. Kehlnaht am T- oder Kreuzstoß 0,67 0,3 bis 0,67
Kehlnaht am Eckstoß 0,67 0,9
Kehlnaht am Überlappstoß 0,67 0,7
Wurzellage von V-Nähten (Öffnungswinkel 60°, Stegabstand 3 mm) 1,0 bis 1,2 rd. 1,0
Wurzellage von Doppel-V-Nähten (Öffnungswinkel 50°, Stegabstand 3 mm) 0,7 rd. 1,0
Mittellagen von V- und Doppel-V-Nähten 0,8 bis 1,0 rd. 1,0
Decklagen von V- und Doppel-V-Nähten 0,9 bis 1,0 1,0
I-Naht, 'Lage-Gegenlage-Schweißung' - 1,0

Wenn die jeweilige Werkstückdicke in der Nähe der Übergangsblechdicke (s. u.) liegt, entspricht der Wert des Nahtfaktors F2 dem von F3. Je kleiner die Werkstückdicke im Vergleich zur Übergangsblechdicke ist, um so deutlicher unterscheiden sich F2 und F3[4]. 

Die Blechdicke beim Übergang von drei- zu zweidimensionaler Wärmeableitung bezeichnet man als Übergangsblechdicke dü. Durch Gleichsetzen der Formeln zur Berechnung der Abkühlzeit t8/5 für drei- und zweidimensionale Wärmeableitung ergibt sie sich zu:

dü  =  [((4300 - 4,3 * T0) / (6700 - 5 * T0)) * 105 * Q * (( 1 / (500 - T0)) + (1 / (800 - T0)))]0,5 

mit      

  • Q: Wärmeeinbringen 
  • T0: Vorwärmtemperatur 

Schrifttum: 
[1] Degenkolbe, J., Uwer, D., und Wegmann, H. G.:
Kennzeichnung von Schweißtemperaturzyklen hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die mechanischen Eigenschaften von Schweißverbindungen durch die Abkühlzeit t8/5 und deren Ermittlung. Thyssen Technische Berichte, Heft 1/85, S. 57 - 73 
[2] Stahl-Eisen-Werkstoffblatt 088 Beiblatt 2:
Schweißgeeignete Feinkornbaustähle - Richtlinien für die Verarbeitung, besonders für das Schmelzschweißen; Ermittlung der Abkühlzeit t8/5 zur Kennzeichnung von Schweißtemperaturzyklen. 4. Ausgabe, Oktober 1993, Verlag Stahleisen, Düsseldorf 
[3] Uwer, D. und Wegmann, H. G.:
Temperaturzyklen beim Lichtbogenschweißen - Einfluß von Schweißverfahren und Nahtart auf die Abkühlzeit. Schweißen und Schneiden, Jahrgang 28 (1976), Heft 4, S. 132 - 136 
[4] Uwer, D.:
Rechnerisches und grafisches Ermitteln von Abkühlzeiten beim Lichtbogenschweißen. Schweißen und Schneiden, Jahrgang 30 (1978), Heft 7, S. 243 - 248 
[5] Uwer, D. und Degenkolbe, J.: Kennzeichnung von Schweißtemperaturzyklen hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die mechanischen Eigenschaften von Schweißverbindungen. Stahl und Eisen 97 (1977), Nr. 24, S. 1201 - 1207