Innovation, Nachhaltigkeit und Null-Fehler-Produktion in einer baltischen Schiffswerft

Das estnische Unternehmen produziert Boote mit bis zu 100 m Länge, vorwiegend aus Aluminium, in einem patentierten Design. Trotz ungünstiger klimatischer Bedingungen wird eine ausgezeichnete Schweißnahtqualität durch die Einhaltung der notwendigen Rahmenbedingungen erreicht. Gleichzeitig wird sogar ein Überschuss an elektrischer Energie produziert.

Baltic Workboats (BWB) ist ein estnisches Unternehmen, das auf die Herstellung von Arbeitsbooten, Patrouillenbooten, Fähren, Katamaranen und anderen Spezialschiffen spezialisiert ist. Das Unternehmen wurde 1998 gegründet und hat seinen Hauptsitz auf der Insel Saaremaa in Estland. 200 Mitarbeiter konnten bereits mehr als 200 Boote für Kunden in 30 Ländern weltweit mit Längen von bis zu 100 ausliefern. Neben herkömmlichen Dieselmotoren werden auch bereits Hybridantriebe (diesel/elektrisch) und auch rein elektrisch angetriebene Boote gefertigt.

Das Unternehmen hat in den letzten Jahren eine starke Präsenz auf dem europäischen Markt aufgebaut und beliefert Kunden in vielen Ländern der Welt.

Besonders hervorzuheben ist die von Baltic Workboats patentierte Wavepiercing-Technologie. Diese ist ein innovativesDesign für Schiffe, die eine verbesserte Stabilität und Seetüchtigkeit bei hohen Geschwindigkeiten bietet.

Das Konzept der Wavepiercing-Technologie besteht darin, dass der Bug des Schiffsrumpfes in Form eines V-förmigen Profils geschnitten ist, das in flachen Winkeln in das Wasser eintaucht, wodurch es das Wasser durchtrennt, anstatt es zu zerstreuen. Dadurch entsteht weniger Widerstand und das Schiff kann schneller fahren. Die Wavepiercing-Technologie ist besonders wirksam bei hohen Geschwindigkeiten und rauen Seegangbedingungen.

Die patentierte Wavepiercing-Technologie von Baltic Workboats ist eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Konzepts. Der Unterschied liegt darin, dass die Bugspitze in Form eines doppelten V-Profils ausgeführt ist, das die Vorteile eines normalen Wavepiercing-Rumpfs mit einer zusätzlichen Stabilität und Tragfähigkeit kombiniert. Dies ermöglicht es den Schiffen, auch in extremen Seegangbedingungen zu operieren und eine verbesserte Leistung zu erzielen.

Ein weiterer Vorteil der Wavepiercing-Technologie von Baltic Workboats ist, dass sie den Kraftstoffverbrauch des Schiffes reduziert. Durch die Reduzierung des Widerstands kann das Schiff bei gleicher Geschwindigkeit mit weniger Kraftstoff betrieben werden, was zu erheblichen Einsparungen bei den Betriebskosten führt.

Baltic Workboats hat sich einen Namen als innovatives Unternehmen gemacht, das hochwertige Produkte herstellt. Das Unternehmen setzt modernste Technologie ein, um den Bedürfnissen seiner Kunden gerecht zu werden, und ist dafür bekannt, dass es auf individuelle Kundenanforderungen eingeht.

Saaremaa ist die größte Insel Estlands und liegt in der Ostsee. Die Insel hat ein gemäßigtes Klima, das von der unmittelbaren Nähe zum Meer und dem Nordatlantik beeinflusst wird. Das Klima auf Saaremaa ist im Allgemeinen mild und feucht, mit milden Sommern und kalten Wintern.

Im Sommer erreichen die Temperaturen auf Saaremaa normalerweise Höchstwerte von etwa 20-25 Grad Celsius und Tiefstwerte von etwa 10-15 Grad Celsius. Die Niederschlagsmenge ist in den Sommermonaten tendenziell höher, mit durchschnittlich etwa 70-80 mm Niederschlag im Monat.

Im Winter ist das Klima auf Saaremaa kalt und schneereich. Die Temperaturen fallen normalerweise auf etwa -5 bis -10 Grad Celsius, können aber auch unter -20 Grad Celsius fallen. Insgesamt ist das Klima auf Saaremaa von hoher Luftfeuchtigkeit geprägt, was dazu führt, dass sich oft Nebel bildet. Die Insel ist auch von starken Winden betroffen, insbesondere im Herbst und Winter, wenn die Stürme vom Nordatlantik herüberziehen.

Für das Lichtbogenschweißen von Aluminium sind dies denkbar ungünstige klimatische Bedingungen.

Dennoch ist es BWB gelungen durch die Befolgung einiger wesentlicher Regeln eine ausgezeichnete Schweißnahtqualität zu erzielen.

Baltic Workboats baut seine Boote hauptsächlich aus Aluminium, einem leichten und robusten Material, das sich hervorragend für den Bootsbau eignet. Die gegenüber Stahl viel leichteren Boote haben einen wesentlich geringeren Treibstoffverbrauch und eine längere Lebensdauer. Der Werkstoff der Bleche ist naturhartes EN AW 5083 H111 (AlMg4,5Mn) im Dickenbereich von 4 bis 40 mm. Profile werden aus dem aushärtbarem Werkstoff EN AW 6082 T6 (AlSi1MgMn) eingesetzt .

Der Zuschnitt der Bleche erfolgt durch CNC-Fräsen mit Hartmetallwerkzeugen trocken, also ohne Schmiermittel, was eine für das Schweißen ausgezeichnete Vorbedingung ist. Im gleichen Arbeitsschritt erfolgt eine Markierung und Beschriftung der Zuschnitte um diese später auch an den richtigen Abschnitten platzieren zu können.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Produktion bei Baltic Workboats ist die sorgfältige Temperaturkontrolle in den Produktionshallen. Die Hallen werden auf einer konstanten Temperatur von 22 Grad Celsius gehalten, was mit einer umweltfreundlichen Hackschnitzelheizung erreicht wird. Während die Tore geöffnet werden, darf nicht geschweißt werden und das ist eine der Grundregeln von BWB.

Die Grundwerkstoffe werden ebenfalls in der beheizten Halle bei kontrollierter Temperatur gelagert. Diese Temperaturkontrolle ist von entscheidender Bedeutung für die Qualität der Schweißnähte, da sie sicherstellt, dass keine Kondensation auftritt und dadurch eine optimale Schweißnahtqualität erzielt wird.

Kondensation ist ein physikalisches Phänomen, bei dem ein Gas oder Dampf in einen flüssigen Zustand übergeht. Dies geschieht, wenn ein Gas abgekühlt wird, wodurch die Moleküle des Gases ihre kinetische Energie verlieren und sich langsamer bewegen. Wenn die Bewegungsgeschwindigkeit der Moleküle unterhalb eines bestimmten Schwellenwerts liegt, beginnen sie zu kondensieren und bilden flüssige Tröpfchen.

Kondensation kann auf kalten Oberflächen auftreten, welche in warme Luft gebracht werden. Beim Schweißen von Aluminium können Kondensation und damit Feuchtigkeit, die aus der Umgebungsluft stammen, zu erheblichen Problemen führen.

Feuchtigkeit enthält Wasserstoff und das ist das einzige in Aluminium lösliche Gas. Flüssiges Aluminium hat eine sehr gute Löslichkeit für Wasserstoff. Beim Abkühlen erfolgt jedoch ein Löslichkeitssprung nahe der Erstarrungstemperatur. Der aus der Lösung kommende Wasserstoff führt zu Gasblasen, welche im erstarrenden Werkstoff eingeschlossen werden und dann zu sogenannten Poren führen. Deshalb ist beim Schweißen von Aluminium eine bestmögliche Sauberkeit und Abwesenheit von Feuchtigkeit entscheidend für porenfreie Schweißnähte.

Eine konstante Umgebungstemperatur wie bei BWB schließt Kondensation von vornherein aus und ist die Voraussetzung für porenfreie Schweißnähte. Tatsächlich können Oberflächen auf welchen einmal Kondensation aufgetreten ist, nicht durch einfaches Trocknen wieder „repariert“ werden. Eine neuerliche spanende Oberflächenreinigung wäre erforderlich.

Die bei BWB eingesetzten Schweißprozesse sind das MIG-Impuls- und das WIG-Schweißen.

Innerhalb der Boote ist die Zugänglichkeit oft durch die engen Raumverhältnisse sehr beschränkt.

Die Schweißer schätzen die konstante, angenehme Umgebungstemperatur, welche keine zusätzliche, über die für das Schweißen erforderliche Schutzkleidung hinausgehende, und die Beweglichkeit einschränkende Kleidung, erfordert.

Die für die Lagerung der Grundwerkstoffe geltenden Regeln, gelten ebenso für die Schweißzusätze. Vorteilhaft ist dabei die Vakuum-Verpackung der Schweißdrahtspulen in einer mehrlagigen Aluminium-Verbundfolie. Diese Folie ist diffusionsdicht und gewährleistet, dass auch während Temperaturschwankungen beim Transport oder der Lagerung keinerlei Kondensation auftreten kann. Das Vakuum ermöglicht zusätzlich eine Kontrolle ob die Verpackung intakt ist. Der Schweißdrahthersteller, MIGAL.CO, führt selbst regelmäßige Schweißproben mit anschließender Durchstrahlung durch, um die röntgensichere Verarbeitung nachzuweisen. Die Vakuumverpackung sorgt dafür, dass die Qualität der Produkte auch beim Anwender ankommt.

Die verantwortliche Schweißfachingenieurin, Riina Otsason, ist überzeugt, dass erst die konsequente Einhaltung dieser Maßnahmen für die nahezu Nullfehler-Produktion über Jahre hinweg verantwortlich ist.

Die zentrale Schutzgasversorgung erfolgt über Rohrleitungen aus Edelstahl, wobei teilweise auch Gasflaschen im Bündel eingesetzt werden. Ab der Entnahmestelle kommen ausschließlich hochqualitative Gasschläuche zum Einsatz. Bei sonst oft eingesetzten, kostengünstigen Schläuchen aus z.B. PVC kann es zu erheblicher Diffusion von Feuchtigkeit durch das ansonsten dichte Material durch den Partialdruck erfolgen. Diffusion ist der Prozess, bei dem Teilchen aufgrund ihrer thermischen Energie von einem Ort mit höherer Konzentration zu einem Ort mit niedrigerer Konzentration wandern.

Wenn eine Kunststoffoberfläche einer feuchten Umgebung ausgesetzt ist, wird ein Partialdruckgradient erzeugt. Die Feuchtigkeit hat einen höheren Partialdruck als das trockene Gas im Inneren des Schlauchs. Da die Feuchtigkeit in die Richtung wandert, in der der Partialdruck abnimmt, wird sie durch den Kunststoff diffundieren.

Dieser Prozess hängt von mehreren Faktoren ab, einschließlich der Art des Kunststoffs, der Dicke des Materials, der Feuchtigkeitskonzentration in der Umgebung und der Temperatur. Einige Kunststoffe, wie zum Beispiel Polyethylen, sind relativ undurchlässig für Feuchtigkeit und weisen daher eine geringere Diffusionsrate auf als andere Kunststoffe wie z.B. PVC, Nylon oder Polyester.

BWB verwendet für Blechdicken unterhalb von ca. 10 mm als Schutzgas Reinargon, bei dickeren Blechen oder besonders kritischen Bereichen werden Argon/Helium-Gemische eingesetzt.

Um Schweißverzug zu vermeiden werden die Konstruktionen durch eine Vielzahl von Heftschweißungen in Form gehalten. Diese Heftnähte werden kurz vor dem eigentlichen Schweißen wieder entfernt um durchgehend fehlerfreie Schweißnähte zu erzeugen.

Fehlerfreie Schweißnähte werden honoriert. So erhalten Schweißer qualitätsabhängige Prämien.

Die geforderte Schweißnahtqualität wird durch die jeweilige Projektanforderungen und durch die Klassifizierungsgesellschaften beeinflusst. In Bereichen unterhalb der Wasserlinie wird die Bewertungsgruppe B (EN ISO 10042) verlangt, oberhalb reicht auch Bewertungsgruppe C. Alle Schweißnähte werden zu 100% einer Sichtprüfung unterzogen, kritische Bereiche einer PT-Prüfung und weitere Umfänge je nach Forderung durchstrahlt. Die Fehlerrate unterhalb der Wasserlinie ist tatsächlich gleich null.

Dem Besucher bei BWB fällt die für eine Schiffswerft ungewöhnliche Sauberkeit mit einer Vielzahl von überall präsenten Staubsaugern auf. Die Luftqualität in den Fertigungshallen ist ausgezeichnet und wird durch ein effektives Belüftungs- und Absaugsystem erreicht.

Das Engagement von Baltic Workboats für Nachhaltigkeit geht jedoch noch weit über die Heizung in den Produktionshallen aus regenerativen Quellen hinaus. Das Unternehmen hat auf seinem Firmengelände zwei Windräder installiert, die ausreichend Strom für das Werk und benachbarte Häuser erzeugen. Durch diese Maßnahme wird nicht nur der Strombedarf von Baltic Workboats gedeckt, sondern auch die Umweltbelastung reduziert. Das Unternehmen nutzt auch Recyclingmethoden, um Abfall zu reduzieren und Ressourcen zu schonen.

Baltic Workboats ist ein Beispiel dafür, wie ein Unternehmen in der Schiffbauindustrie erfolgreich sein kann, indem es Innovation und Nachhaltigkeit in Einklang bringt.

Eine wesentliche Herausforderung für BWB und Riina Otsason ist die Verfügbarkeit von qualifizierten Aluminiumschweißern. Das Unternehmen sieht seine exponierte Lage aber auch als Vorteil.

Tatsächlich bietet Saaremaa eine Vielzahl von Vorteilen für Arbeitskräfte, insbesondere für diejenigen, die eine ruhige und naturnahe Umgebung suchen. Besonders hervorzuheben ist eine hohe Lebensqualität: Saaremaa ist eine idyllische Insel in der Ostsee, die für ihre atemberaubende Landschaft, saubere Luft und klare Gewässer bekannt ist. Die Insel ist ein ruhiger und entspannter Ort, der ideal für Menschen ist, die einen Rückzugsort vom städtischen Leben suchen. Im Vergleich zu vielen anderen Städten und Regionen in Europa sind die Lebenshaltungskosten auf Saaremaa relativ niedrig. Mieten, Lebensmittel und andere Ausgaben sind hier günstiger als in vielen anderen Gegenden, was es Arbeitnehmern ermöglicht, ein angenehmes Leben zu führen, ohne sich finanziell zu übernehmen. Trotz seiner ländlichen Lage bietet Saaremaa eine moderne Infrastruktur mit gut ausgebauten Straßen, Flughafen und Häfen, die es Arbeitnehmern ermöglichen, schnell und einfach zu reisen. Die Insel hat auch eine gute Anbindung an das Festland über eine Fährverbindung. Saaremaa verfügt über eine gut ausgebaute Bildungsinfrastruktur mit Schulen, Berufsschulen und einer Universität, welche ab dem Herbst 2023 ein Masterstudium in Meerestechnik anbieten wird. Die Menschen auf Saaremaa sind naturverbunden und legen großen Wert auf den Schutz ihrer natürlichen Umwelt. Die Insel bietet eine Fülle von Outdoor-Aktivitäten wie Wandern, Radfahren, Angeln und Bootfahren, die von vielen Arbeitnehmern als Ausgleich zum Arbeitsalltag geschätzt werden.

Insgesamt bietet Saaremaa eine hohe Lebensqualität, gute Arbeitsmöglichkeiten und eine naturnahe Umgebung, die für viele Arbeitnehmer attraktiv sein können.